Inspiration

inspirationInspi­ra­tion

Ich gebe mir zwei Backpfeifen
denke Sachen gibt’s, die gibt’s gar nicht
warte eine Stunde auf Godot
werfe den Ret­tungsring zum Fen­ster hinaus
höre dem Gras beim Wach­sen zu
schreie »Gott behüte« und backe
ganz kleine Brötchen. 

Ich streue mir etwas Asche aufs Haupt
schüt­tle kräftig die Arme aus
reiße das Fen­ster auf und rufe: ach was!
Ich ver­gle­iche Äpfel mit Birnen
finde Bir­nen besser
kaufe ein Fass ohne Boden, werfe Knöpfe hinein
und stelle mir ein Armutszeugnis
aus.

Ich höre Nachricht­en und senke den Daumen
dem Kuri­er lese ich gelassen ein paar Leviten
ich sage, lass mich nicht lügen und lüge
stürze auf den Boden, zucke zwei-dreimal
ent­decke eine Spinne und sage: pfui!
Ich schaue mir das Blaue vom Him­mel an
öffne die Woh­nungstür und falle
aus allen Wolken.

Fün­fzig Gramm Oliv­en esse ich
lache über das Wort »Meuchelpuffer«
ste­he eine Weile auf dem Gartenschlauch
warte fünf Minuten ab und trinke Tee.
Ich renne auf den Balkon und spreche zum Volk
oder schaue mir den Schnee von gestern
an. 

Beiläu­fig öffne ich die Ofen­tür und flüstere:
hallo?
Ich tre­ffe Fre­unde, rede lediglich über Gott
oder ein für alle­mal über die Welt
wieder­hole zehn­mal »Mis­chmasch«
rufe Abrakadabra, anson­sten Hokuspokus
werfe mit Kon­fet­ti gegen das Bücherregal
und stecke den Kopf
in die Zimmerpflanze. 

Ich schnalle den Gür­tel etwas weiter
und fange an, Geigen in den Himmel
zu hän­gen, für den Leser.
Ich schaue auf die Uhr, es schlägt dreizehn
ich hisse die weiße Fahne
spitze vier Kugelschreiber, zünde mir einen Bleis­tift an
und siehe da, es ist soweit:
ich kann mich in Grund und Boden
schreiben.

Aus: Kinder der ver­lore­nen Gesellschaft, Wall­stein Verlag

die horen_safiye can_monogramme des efeuErstveröf­fentlichung in die horen, Zeitschrift für Lit­er­atur, Kun­st und Kritik
Aus­gabe 248: Mono­gramme des Efeu. Inven­turen und Zustandsvermutungen