1 Sep

Gedichtübersetzung ins Spanische 2022

Sep­tem­ber 2022
Über­set­zung der Gedichte von Safiye Can ins Spanis­che vom Über­set­zer Axel Sanjosé
aus dem Lyrik­band “Rose und Nachti­gall”, Wall­stein Ver­lag, Neuau­flage 2020

 

Safiye Can

Liebe ist eine dun­kle Sache

dunkel, wie der Men­sch dunkel ist

gefan­gen in ein­er Kerkernacht

im Kopf tausend Kakerlaken

ver­loren in der Finsternis

windet

und windet sich.

 

Liebe ist eine helle Sache

hell, wie der Men­sch hell ist

auf lichterfüllter Straße

die Frei­heit bis ins Knochenmark

von Wellen minütlich ans Ufer getragen

find­et

und find­et sich.

 

 

El amor es un asun­to oscuro

oscuro como lo es el ser humano

pre­so en una noche de calabozo

con mil cucarachas en la mente

per­di­do en las tinieblas

retor­cién­dose

                     y retorciéndose

 

El amor es un asun­to claro

claro como lo es el ser humano

en calles llenas de luz

con lib­er­tad has­ta el tuétano

lle­va­do por olas à la oril­la, min­u­to a minuto

reen­con­trán­dose

                          y reencontrándose.

 

 

Kon­takt

 

Tarotkarten aus dem Fen­ster geworfen

Ver­staubtes ins Gedächt­nis gehievt

dein Geruch, der Wind von Herbsttagen

deine Wärme, eine Seeanemone.

Engel­geis­ter flüstern von dir, stieben auf

wenn ich vor ihnen erschrecke.

Inmit­ten des Gedicht­es sitze ich

der Kopf zwis­chen bei­den Händen

dein let­ztes Wort

kann mich nicht erinnern.

 

 

Con­tac­to

 

He tira­do por la ven­tana las car­tas de tarot

He subido à la memo­ria cosas llenas de polvo

tu olor, el vien­to de días de otoño

tu calor, una ané­mona de mar.

Espíri­tus de ángel me cuen­tan de ti, susurrando,

y salen volan­do al ver que me asusto.

En medio del poe­ma estoy sentada

con la cabeza entre las manos

tu últi­ma palabra

no me sabe recordar.

 

 

Ein krei­de­ble­ich­er Winter 

 

Krei­de­ble­ich der Win­ter, kratzt

an der Tür, haucht die Fen­ster an

die Ein­samkeit sitzt mir gegenüber

der Schat­ten ein­er schwarzbraunen

Katze springt auf den Esstisch

wirft die Flasche um, aus der Flasche

empor fliegt wein­rot ein Schmetterling

aus Trauer lässt er einen Flügel fallen

meine Ein­samkeit, eine Kerkereinsamkeit

gold­en glänzt du aus ihr heraus

ich halte fest an dir

deine Hände wärmen

die ein­er anderen.

 

 

Un páli­do invierno

 

Qué páli­do el invier­no, rasca

la puer­ta, empaña los vidrios con su aliento

la soledad está sen­ta­da frente a mí

la som­bra de un gato

casi negro salta sobre la mesa del comedor

tum­ba la botel­la, y de la botella

sale volan­do una mari­posa col­or vino

que de pura tris­teza deja caer un ala

mi soledad, una soledad de calabozo

en su inte­ri­or bril­las tú como el oro

me afer­ro a ti

tus manos están dan­do calor

a las de otra.

 

 

Zusam­men­tr­e­f­fen

 

Als hätte ein Käfer

zu seinem Fühler gefunden

so war es

dir zu begegnen.

 

 

Coin­cidir

 

Como si un escarabajo

al fin hal­lara su antena

así fue

encon­trarme contigo.

 

Begeg­nun­gen

 

Manche Tage sind solche

da laufe ich dir ständig

über den Weg, doch du

bist sie alle nicht.

 

 

Encuen­tros

 

Hay días de esos

que a cada dos por tres

me topo con­ti­go, pero tú

no eres ninguno de ellos.

 

 

Dorn­röschen, Liebchen

 

Die Fend­er ist zertrümmert, Herzblatt

wenn du nach Hause findest

bring Papers mit

und Mis­chtabak.

 

Bar­bie ist vergiftet, Sahnehäubchen

werde mich hinlegen

wenn du den Heimweg findest

dreh den Gashahn ab.

 

Mis­ch­pult ist nicht mehr, Spätzchen

tragisch, doch Unfälle passieren

soll­test du zur Woh­nung finden

darf­st du die Wände neu tapezieren.

 

Die Plat­ten­samm­lung bringt’s nicht mehr

Alko­hol ist auch alle, Täubchen

der Ver­stärk­er — wie soll ich sagen

ist in der Bade­wanne ersoffen.

 

Und dein Motor­rad, Liebchen

siehst du ja, wenn du kommst

in der Mikrow­elle ste­ht Essen

lass es dir schmecken.

 

 

Bel­la dur­miente, cariño

 

La Fend­er está destroza­da, corazón

si con­sigues volver a casa

trae papel de liar

y taba­co.

 

Bar­bie está enve­ne­na­da, tesoro

me echaré a dormir

si no te pierdes por el camino

cier­ra el gri­fo del gas.

 

La mesa de mez­clas la ha diña­do, cielito

es trági­co, pero son acci­dentes que ocurren

si logras encon­trar nue­stro piso

te tocará empa­pelar las paredes.

 

La colec­ción de dis­cos ya no vale nada

y tam­poco quedan bebidas, palomita

el ampli­fi­cador – como te diría –

se ha ahoga­do en la bañera.

 

Y tu moto, cariño

bueno, ya lo verás cuan­do llegues

hay comi­da en el microondas

que aproveche.

 

 

Rose und Nachti­gall (Auszüge aus dem Langgedciht)

 

Mit der Leere in der Magengrube

wohin ich auch blicke

umringt Sehn­sucht die Dinge

fern vom Land der Rosen und Nachtigallen

ver­wan­delt sich zu Stein

was ich berühre.

 

Fern vom Land der Rosen und Nachtigallen

lese ich ver­lorene Träume auf

und stelle sie in eine Kristallvase.

Es ist leichter, hun­dert andere

Leben zu ret­ten, als das eine

eigene.

 

Irgendw­er da draußen, jetzt

hat die Liebe verloren

einem anderen liegt sie zu Füßen

ein Drit­ter hebt sie vom Gehweg auf.

 

An manchen Tagen

mag man sich in den eigenen

Schat­ten hineinlegen

sehnt sich nach der Furche

ein­er frem­den Handfläche.

 

Unter­wegs lese ich ver­lorene Träume auf

stricke sie zum Stro­phen-Schal zusammen

damit er wärmt, irgendwen da draußen

wärmt, den, der friert

wer nie gefroren hat, weiß nicht

um die, die Kälte erleben.

 

Wie viel anderes soll eine Dich­terin noch sein

wenn sie Dich­terin ist?

Wo sie doch schon alles ist beim Dichten

der Kom­pass, die Peilscheibe

der Griff, die Klinge

das Wogende, die Zielscheibe.

 

 

 

Rosa y ruiseñor (Extrac­tos del largo poema)

 

Con el vacío en las tripas

mire adonde mire

veo año­ran­za en torno de las cosas

lejos del país de las rosas y los ruiseñores

se con­vierte en piedra

todo lo que toco.

 

Lejos del país de las rosas y los ruiseñores

voy reco­gien­do sueños perdidos

y los pon­go en una vasi­ja de cristal.

Es más fácil sal­var cien

vidas aje­nas que esa propia.

 

Alguien ahí fuera, ahora

ha per­di­do el amor

a otro se le echa a los pies

un ter­cero lo recoge de la acera.

 

Hay días en los que

uno quer­ría echarse

en su propia sombra

en los que se año­ra el surco

de la pal­ma de una mano ajena.

 

Por el camino voy reco­gien­do sueños perdidos

y con ellos hago pun­to, una bufan­da de estrofas

para que dé calor, dé calor a alguien

allá fuera, a alguien que esté pasan­do frío

quien nun­ca ha pasa­do frío no sabe nada

de los que viv­en el frío.

 

¿Cuán­tas más cosas ha de ser una poeta

sien­do poeta?

Si ya lo es todo al escribir

la brúju­la, el taxímetro

el man­go, el filo,

el olea­je, la diana.

Poeta/Dichterin

Safiye Can es auto­ra, poeta de la poesía conc­re­ta y visu­al, artista, así como edi­to­ra y tra­duc­to­ra lit­er­aria. Dirige con éxi­to talleres de escrit­u­ra en cole­gios y otras insti­tu­ciones para niños y jóvenes y es la fun­dado­ra del taller de escrit­u­ra “Dichter-Club” (Club de Poetas).

Safiye Can (Offen­bach am Main, 1977) ist Autorin, Dich­terin der konkreten und visuellen Poe­sie, bildende Kün­st­lerin, sowie Her­aus­ge­berin und lit­er­arische Über­set­zerin. Sie leit­et erfol­gre­ich Schreib­w­er­stät­ten an Schulen und anderen Ein­rich­tun­gen für Kinder und Jugendliche und ist Grün­derin der Schreib­w­erk­statt “Dichter-Club”.

Traductores/Übersetzer

Àxel San­josé (Barcelona, 1960) es poeta y tra­duc­tor ger­mano-catalán. Vive en Múnich, donde tra­ba­ja en un estu­dio de dis­eño; tam­bién es pro­fe­sor de la Uni­ver­si­dad de Múnich. Sus últi­mos poe­mar­ios son Das fün­fte Nichts y Lebens­mit­tel­lyrik así como la tra­duc­ción de poesías de Joan Mara­gall, Der Pinien Grün, des Meeres Blau (2022).

Àxel San­josé ist ein deutsch-kata­lanis­ch­er Lyrik­er und Lyrik-Über­set­zer. Er lebt seit 1978 in München, wo er für ein Design­büro arbeit­et; darüber hin­aus ist er Lehrbeauf­tragter an der Uni­ver­sität München. Zulet­zt erschienen die Bände Das fün­fte Nichts und Lebens­mit­tel­lyrik sowie die Über­tra­gung von Gedicht­en von Joan Mara­gall Der Pinien Grün, des Meeres Blau (2022).