Unna: Preis für aufrechte Literatur 2016
Verleihung des Alfred-Müller-Felsenburg-Preises 2016
an Safiye Can
Die Dichterin, Autorin und literarische Übersetzerin Safiye Can wird im Rahmen einer feierlichen Zeremonie mit dem diesjährigen “Alfred-Müller-Felsenburg-Preis für aufrechte Literatur” ausgezeichnet.
Beginn: | 06.11.2016 / 11:00 Uhr |
Ort: | Nicolaihaus Unna |
Eintritt: | frei |
Veranstalter: | Sekretariat für den Alfred-Müller-Felsenburg-Preis und Westfälisches Literaturbüro |
“Es ist nicht anmaßend, Safiye Can, diese junge Tscherkessin, die in Offenbach geboren wurde, in einem Atemzug mit großen deutschen Dichterinnen wie Ingeborg Bachmann, Marie Luise Kaschnitz oder Sarah Kirsch zu nennen, deren Nachfolge sie schon seit langem, bisher leider zu wenig wahrgenommen, angetreten hat.” Michael Starcke (1949−2016), Jurymitglied
Das Sekretariat für den “Alfred-Müller-Felsenburg-
Grußworte sprechen Elke Middendorf, stellv. Landrätin des Kreises Unna, und Michael Fallenstein, Sohn des Namensgebers. Die Laudatio hält Rudolf Damm aus Hagen. Die Preisverleihung nimmt Pit Böhle, Geschäftsführer des Westfälischen Literaturbüros in Unna e.V. vor. Für den musikalischen Beitrag konnte Norbert Labatzki, künstlerischer Leiter von “Mazel Tov” gewonnen werden.
Safiye Can wurde 1977 als Kind tscherkessischer Eltern in Offenbach am Main geboren. Sie hat Philosophie, Psychoanalyse und Rechtswissenschaft an der Goethe Universität in Frankfurt am Main studiert und ist Kuratorin der “Zwischenraum-Bibliothek” im Auftrag der Heinrich-Böll-Stiftung. Sie leitet erfolgreich Schreibwerkstätten an Schulen und ist als Übersetzerin von Gedichten aus dem Türkischen tätig, dafür erhielt sie mehrere Literaturpreise. Am 11. November erhält sie den “Else Lasker-Schüler-Lyrikpreis 2016”. Die deutsch-türkisch-tscherkes
Kontakt: Sekretariat für den Alfred-Müller-Felsenburg‑P
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Sehr geehrter Herr Trellenberg, Herr Falkenstein, Herr Damm, Herr Böhle
Sehr verehrte Frau Safiye Can, sehr geehrte Gäste
Herzlich Willkommen im Kreis Unna, Danke für die Einladung. Es ist mir eine besondere Freude Ihnen als Preisträgerin, den Verantwortlichen und Gästen die Grüße und Glückwünsche des Kreises Unna und des Landrates Michael Makiolla zu überbringen.
So ist die heutige Verleihung des Alfred-Müller-Felsenburg Preises für aufrechte Literatur in dieser Einrichtung hier in Unna besonders gut aufgehoben. Nicht nur weil sie im Kreis Unna liegt, sondern weil das westfäl. Literaturbüro als „Lobbyeinrichtung“ für Literatur es sich zur Aufgabe gemacht hat u.a. den Austausch zwischen Autoren und Lesern zu fördern und Schriftstellern und Talenten Perspektiven zu eröffnen.
Es hilft und berät Infrastruktureinrichtungen in unsern 10 Kreisangehörigen Städten und Gemeinden. Bibliotheken, besonders auch Schulen, Kulturbüros usw. partizipieren davon. Ihre Arbeit in Form von Schreibwerkstätten ist sicherlich ein guter Weg jungen Menschen den Umgang mit Sprache näherzubringen. Wenn unsere Schüler nach wie vor im Deutschunterricht große Mängel aufweisen, dann muss man neue Wege suchen ihnen den Spaß an Sprache zu vermitteln. Wer wäre besser dazu geeignet als sie, die Lyrikerin Safiye Can.
Meine Damen und Herren
Durch die Unterstützung des Netzwerk-und Marketingprojektes „Literaturland Westfalen“ wird die Kooperation zwischen Literatureinrichtungen dauerhaft gefördert und ein größerer Radius geschaffen.
Wir sind heute zusammengekommen, um den Alfred-Müller-Felsenburg 2016 zu verleihen. Ein Preis für aufrechte Literatur. Damit sollen unkonventionelle und kritische Werke geehrt werden, bei denen Zivilcourage im Mittelpunkt steht. Literaten, die bisher von Kritikern wenig beachtet werden sollen in den Mittelpunkt gerückt werden. Die Stifter und ehem. Preisträger, die als Jury fungieren, haben auch in diesem Jahr eine sehr gute Wahl getroffen.
Meine Damen und Herren,
Eine junge Frau, die von Kind an bewiesen hat, dass sie ihren Weg gehen will. Sie hat Rückgrat gezeigt und sich nicht beirren lassen und ist damit zu einer beeindruckenden Schriftstellerinnenpersönlichkeit geworden. Frau Safiye Can hat eine beeindruckende persönliche Biographie. Es wird sicher noch einiges dazu gesagt werden. In der Hoffnung Sie nicht zu langweilen, möchte ich doch kurz auf diesen außergewöhnlichen Werdegang eingehen.
Meine Damen und Herren,
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung titelte: „Das sprachlose Kind als Dichterin“. Ja, Sie hatten denkbar schlechte Voraussetzungen, als Sie praktisch ohne deutsche Sprachkenntnisse eingeschult wurden. Das „sprachlose Kind“ hat es allen gezeigt. Gegen Fehleinschätzung haben sie sich gewehrt und haben Ihren Weg weiterverfolgt. Sie sagen selber, dass Sie froh seien mit der türkischen Sprache aufgewachsen zu sein und dass der Migrationshintergrund schon eine Bedeutung für Sie habe, Sie aber nicht darauf reduziert werden möchten.
Frau Can
In einem Interview haben sie auf die Frage, wie Ihre Texte entstehen gesagt: „Die fließen mir oft so zu, egal ob auf der Straße oder sonst wo. Vielleicht ist das eine Erklärung für Ihre bewegenden Gedichte und Texte. Sie kommen direkt aus dem Leben, aus Ihrem Leben. In einem anderen Interview wurden Sie gefragt, welche drei Substantive Ihnen zu dem Wort Liebe einfallen. Mich hat besonders beeindruckt, dass Sie nach kurzem Zögern zu den Wörtern Zuneigung und Sehnsucht auch das Wort Hass nannten. Dass Liebe und Hass im Leben leider oft sehr eng zusammen liegen erfahren wir täglich.
Meine Damen und Herren,
Integration, Umgang mit fremden Kulturen und das Verstehen von fremden Menschen sollte nicht nur ein Thema für Frau Can sein, sondern sollte uns alle beschäftigen. Mit ihren Gedichten und Texten tragen Sie dazu bei, dass Menschen vielleicht wieder mehr Empathie für die Sorgen anderer entwickeln, auch wenn ihnen diese Sorgen fremd sind. Wir brauchen Menschen, die Augen, Ohren und Herzen öffnen dringender denn je.
Ich danke Ihnen und gratuliere noch einmal ganz herzlich. Den Veranstaltern ebenfalls herzlichen Dank und ich hoffe, sie bleiben im Kreis Unna.
Elke Middendorf, stellv. Landrätin, Kreis Unna
LAUDATIO
abschied
der tag beginnt spät
wie manchmal
das eigene leben
mit einem blick aufs meer.
ein schiff segelt dahin
am horizont
in einem silbrigen licht
zeitloser wolken
so bleibt es im gedächtnis
unvergessen,
ein fast vollkommenes glück
ohne enttäuschung
und niedertracht
und doch:
die menschen am ufer
werden davongehen
und einmal nicht mehr
zurückkehren, andere menschen
werden sie ersetzen,
um die welt später
zu verlassen wie einen traum.
der tag beginnt spät,
wie immer, wenn es zeit wird,
die koffer zu packen
für eine andere
unbeabsichtigte reise.
Mit diesem Gedicht des am 19. Februar diesen Jahres viel zu früh verstorbenen „Alfred-Müller-Felsenburg-Preisträgers für Aufrechte Literatur 2013“ Michael Starcke beginne ich meine Laudatio auf die diesjährige Preisträgerin Safiye Can.
Denn Michael Starcke war es, der als Jurymitglied des „Alfred-Müller-Felsenburg-Preises“ den Namen der Offenbacher Lyrikerin als Preisträgerin 2016 ins Gespräch brachte und sich vehement für sie eingesetzt hat. Ihm ist es zu verdanken, dass die anderen Juroren auf sie aufmerksam wurden und sich beeindruckt durch die unverwechselbare Diktion und Wahrhaftigkeit ihrer poetischen Ausdruckskraft und die Meisterschaft ihrer Sprache für Safiye Can entschieden.
Als mehrfacher Laudator der „Müller-Felsenburg-Preisträger“ der vergangenen Jahre freute ich mich auf die vor mir liegende Aufgabe, ist doch Offenbach am Main die Stadt, in der ich entscheidende Jahre meiner Jugend verbracht und dort auch das Abitur gemacht hatte, diese kleine Großstadt im Schatten des übermächtigen Nachbarn Frankfurt am Main, die mir Heimat geworden war und mit der ich mich bis heute verbunden fühle. Und dann auch noch eine Offenbacherin türkischer Abstammung – der Türkei, mit der ich mich aus familienhistorischen Gründen und meinem zweijährigen Germanistikstudium an der Istanbuler Universität und den dabei entstandenen Freundschaften vor fast nun 50 Jahren in kritischer Freundschaft auseinandersetze! Und dann ist Safiye Can auch noch tscherkessischer Abstammung, was bedeutet, dass ihre Vorfahren vor 150 Jahren aus ihrer angestammten Heimat im russischen Zarenreich in das damalige Osmanische Reich zwangsumgesiedelt wurden und ihnen damit das Schicksal von Minderheiten leidvoll bekannt ist – ich dachte dabei eher an einen lukullischen Genuss: das „Cerkes Tavug“ – auf Deutsch „Tscherkessisches Huhn“ ein aufwendiges Gericht u.a. mit gehackten Walnüssen, für das ich, gut gemacht, fast alles Andere stehen lasse!
Aber Michael Starcke bat mich, ihm die Laudatio auf Safiye Can zu überlassen.
Und wenn man seine Gedanken im Vorwort der 2. Auflage ihres Lyrikbandes „Rose & Nachtigall“ gelesen hat, wird dem Leser sofort klar, dass nur Michael Starcke der angemessene Laudator für die Dichterin hätte sein müssen:
„Liest man die Gedichte der Dichterin laut, erkennt man einen melodiösen und eigenwilligen Klang, der dem Geschriebenen als Vehikel dient, um Aussagen und Botschaften zu transportieren und bekräftigend zu untermalen, einen Sound, ein Markenzeichen, das, wie ich meine, diese Verse originär und unverwechselbar macht. Ebenso gewinnt man durch die Wahl der Metaphern, die zwischen Morgenland und Abendland, zwischen Überlieferungen und frischen Ideen angesiedelt sind, den Eindruck, Gedichte wie diese noch nie gelesen zu haben, das Thema Liebe, alt wie die Menschheit, in neue, unerwartete Sprachbilder gekleidet, die im Gedächtnis haften bleiben, weil man sie weder vergessen möchte noch vergessen kann.
Safiye Can schreibt von der Liebe stürmisch, nachdenklich. traurig, himmelhochjauchzend zu Tode betrübt, wie man sagt, vom Verliebt sein, von „der Metaebene“, vom Verlassen werden und Vermissen. Nachhaltig beschreibt sie das Für und Wider, die Zweifel, den Versuch, das gegensätzliche zu einem Ganzen werden zu lassen, Spannungsbögen.
Es ist nicht anmaßend, Safiye Can, diese junge Tscherkessin, die in Offenbach geboren wurde, in einem Atemzug mit großen deutschen Dichterinnen wie Ingeborg Bachmann, Marie Luise Kaschnitz oder Sarah Kirsch zu nennen, deren Nachfolge sie schon seit langem, bisher leider zu wenig wahrgenommen, angetreten hat
Safiye Can wird zu den großen Dichterinnen unseres Jahrhunderts gezählt werden.“
Diese sachkundige und gleichzeitig so poetische „Liebeserklärung“ des Dichters Michael Starcke an die Dichterin Safiye Can beeindruckte mich 2014 und beeindruckt mich noch heute zutiefst.
Mir fiel als altem Offenbacher dabei ein, dass auch Goethes Lilli Schönemann eine Offenbacherin war …
Und jetzt stehe ich, der hier nicht stehen sollte, an Michael Starckes Stelle, weil der „Schnitter Tod“ wieder einmal alle Planungen ad absurdum geführt hat.
Und ich habe natürlich meinen subjektiven Blick auf diese ost-westliche Dichterin mit dem gelungenen Spagat zwischen Orient und Okzident, zwischen ihrem Geburtsland Deutschland und dem kulturellen und sprachlichen Herkunftsland ihrer Eltern, der Türkei. Ich glaube die kritische Verbundenheit zu spüren, wenn ich Gedichte lese wie das mit dem Titel Gewesene Tage in ihrem Gedichtband „Rose & Nachtigall“
Gewesene Tage
Abends lagen wir auf der Wolke
bei Tageslicht auf festem Boden
wollte ich dich nie austauschen
doch betrogst du mich
mit Istanbul, dieser Dirne
vorhin stieß ich an deine Wasserpfeife
blau stürzte sie und brach sich das Genick
ich fasste mir jäh ans Herz.
Wie ich die Metaphern „Istanbul“ und „Wasserpfeife“ interpretiere, brauche ich hier nicht weiter zu erläutern!
Und in einem weiteren Gedicht mit dem Titel Ein solcher Regen aus dem Gedichtband Diese Haltestelle habe ich mir gemacht, dessen 2. Auflage im Juni 2016 erschienen ist, spricht sie meine Istanbuler Erinnerungen an und lässt die beschriebene Situation vor meinen Augen lebendig werden:
Ein solcher Regen
In Istanbul regnet es
an einem Januartag in Strömen
die Dächer regnen, die Straßen, die Läden
mit dem Regenwasser fließt alles
alles fließt Cagaloglus Straßen hinunter
mit großen Augen blicken die Häuser
blicken stumpf, stumpf auf das Kopfsteinpflaster.
Das ist nicht nur eine großartige Beschreibung der winterlichen Wirklichkeit Istanbuls, die mit dem touristischem Bild der sonnigen Sommermonate rein nichts gemeinsam hat und sie ist nicht nur der Ausdruck einer momentanen rein privaten Gefühlsstimmung, nein, ich erkenne in diesen Zeilen auch die Verzweiflung der politischen Dichterin Safiye Can über die politischen Zustände in der Türkei, angefangen von den Gezi-Park-Protesten im Jahr 2013 bis zu den schrecklichen Ereignissen, den Verhaftungen und Folterungen nach dem Militärputsch vor wenigen Monaten. Eine politische Safiye Can,
die ihre Stimme erhoben hat auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse, die am 18. Oktober mit dem aus ihrer Zelle
herausgeschmuggelten dramatischen Appell der in Istanbul inhaftierten türkischen Schriftstellerin Asli Erdogan eröffnet wurde. In dieser Botschaft drückt sie ihre Hoffnung aus, dass trotz der „unvorstellbaren Rohheit“ mit der in ihrem Land versucht werde, „die Wahrheit zu töten“, auf ein Ende dieser Zustände hoffe. „Auch wenn ich nicht weiß, wie, aber die Literatur hat es immer geschafft, Diktatoren zu überwinden.“
Der Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Heinrich Riethmüller verwies in seiner Rede auf die 140 in der Türkei geschlossenen Medienhäuser, darunter 30 Buchverlage und mehr als 130 dort inhaftierte Autoren und Journalisten. (Zitiert nach der FAZ vom 19.10.2016, Seite 1)
Und am 4. November, nach der Verhaftung der Chefredakteure der „Cumhuriyet“, steht ein weiterer aus dem Gefängnis geschmuggelter Appell von Asli Erdogan in der „Frankfurter Allgemeinen“: „Die türkische Regierung hat sich entschieden, alle Gesetze zu ignorieren. … Jede Meinung, die auch nur ein bisschen von jener der Herrschenden abweicht, wird gewaltsam unterdrückt.“ Sie fordert jetzt unsere – der Europäer – volle Solidarität und Unterstützung. Der Vergleich mit der Situation in Deutschland nach dem 30. Januar 1933 wird in der Türkei von Tag zu Tag realistischer!
Bei der Beschreibung dieser Situation darf aber kein Gefühl der moralischen Überlegenheit aufkommen – Alfred Müller-Felsenburg hat nicht ohne Absicht nach den Erfahrungen des 3. Reiches den Preis ausdrücklich für „Aufrechte Literatur“ benennen lassen! Denn wie Safiye Can schon in einem Interview 2013 während der Gezi-Park-Proteste ausdrücklich sagte: „ Die Europäer sind nicht unschuldig an der momentanen Situation. Menschenrechtsverletzungen, Zensur und eine willkürlich agierende Justiz wurden von den rneisten übersehen.( … ) Gleichzeitig hält man die Türkei aber seit Jahrzehnten hin, was den EU-Beitritt betrifft. Wenn sich ein großer Teil der türkischen Bevölkerung nun zunehmend dem Osten und dem konservativen Islam zuwendet, dann haben die Unentschlossenheit und das scheinheilige Verhalten Europas maßgeblich dazu beigetragen.( … ) Aber auch wir, jeder einzelne von uns kann etwas tun. Wir dürfen nicht schweigen, nicht nur im Bezug auf die Türkei. Die Welt gehört uns allen und was in den Geschichtsbüchern steht und vor allem auch stehen wird, ist unsere gemeinsame Geschichte.
(Interview mit Safiye Can im Blog der Facebook Seite „Halte durch, Türkei“ am 17. Juli 2013)
Wenn man diese Worte im Ohr behält, dann versteht auch der abendländische Leser das folgende „Haltestellen“- Gedicht richtig, das mich zutiefst anrührt und eine ungestillte Sehnsucht auslöst nach dem Istanbul, wie ich es erlebt habe vor fast 50 Jahren beim Ruf des Muezzins im Wechsel von Tag und Nacht, mir Vertrauen einflößend, nicht Furcht vor dem Fremden und es hat für mich den gleichen Stellenwert bekommen wie Orhan Velis berühmtes Gedicht – neu von Safiye Can übersetzt – „Ich höre Istanbul mit geschlossenen Augen“
Des Muezzins Ruf am Morgen fehlt mir hier
waren Sie schon mal in Sultanahmet
Da singen sie aus dem Minarett
so schön, dass man fliegen möchte
kennen Sie Vorurteile?
Verstehen sie gar nicht so was?
Sehn Sie, drum hab ich mir
diese Haltestelle gemacht
ein bisschen Stahl hab ich gemacht
die Möwen vermisste ich auch
so sehr, aber er ging
einfach so, verstehn Sie das
wohin sollte ich die Möwen tun?
Michael Starcke schreibt dazu in seiner in der 2. Auflage von „Diese Haltestelle hab ich mir gemacht“ als Nachwort abgedruckten Rezension von 2015:
„Die Haltestelle der Dichterin ist ein Ort für Gedanken, Illusionen, Reflexionen und vielleicht ein erlösender Ort; „Leben und Wesen“ der Dichtkunst und Heimat der Fantasie:
Wo immer ich bin, da ist Heimat
da ist die Heimatfrage, da ist Ferne
ich verlor mich mal, andere verloren sich
und fand mich wieder; viele blieben verschollen
aus den Wörtern die richtigen zu fischen
darauf kommt es manchmal an
Safiye Cans neues Buch ist nicht nur für heute wichtig und passend. Es ist Poesie, die einen zu einem besseren Menschen macht, so tröstlich wie ein geschenktes Bett und eine wärmende Decke. Es ist kurzum eine Tür, geöffnet für Freundschaft, Liebe und Mut zum Verstehen und zur Verständigung, ein Meisterwerk.“
Soweit die verständnisvollen Worte und Gedanken des Dichters Michael Starcke für das Werk der Dichterin Safiye Can, die zu Hause ist in Worten und Gedanken, in Abendland und Morgenland.
Mit den Worten des Frankfurters Johann Wolfgang von Goethe, der sich auch in Offenbach auskannte, will ich schließen:
„Wer sich selbst und andere kennt,
wird auch hier erkennen:
Orient und Okzident sind nicht
mehr zu trennen.“
Safiye Can erhält heute zu Recht von uns den „Alfred-Müller-Felsenburg-Preis für Aufrechte Literatur“, auch für ihre 2014 erschienene Erzählung „Das Halbhalbe und das Ganzganze“ von der Michael Starcke treffend bemerkt: „Wie gesagt, Safiye Can kann auch Prosa und wie!“
Für ihre Dichtung und ihre Menschlichkeit bei der Vermittlung ihrer beiden Kulturen danken wir ihr!
Am kommenden Freitag, dem 11.11.2016 erhält sie in Wuppertal den „Else-Lasker-Schüler-Lyrikpreis“ – dazu unseren aufrichtigen Glückwunsch!
Rudolf Damm